Beispiel - Historischer Vergleich

 

Hartmut Kaelble zeigt in seinem Beitrag für Docupedia, dass sich Methodik, Praxis und damit auch Vergleichsräume und Vergleichszeiträume des Historischen Vergleichs in den letzten Jahrzehnten stark verändert haben.
Nachdem die theoretischen Diskussionen der 1990er-Jahre über den Historischen Vergleich als weitgehend abgeschlossen angesehen werden können, ist er heute ein fest etablierter, eigenständiger Teil der transnationalen Geschichte.

Historischer Vergleich 0
Bildinfo
Größenvergleich, ca. 1898-1900. Quelle: Library of Congress, public domain, https://www.loc.gov/item/2016649824/ [02.04.2024]

Der historische Vergleich hat sich in den vergangenen vierzig Jahren stark verändert. [1] Das gilt für seinen Stellenwert innerhalb der Geschichtswissenschaft ebenso wie für seine Anwendung in der Forschungspraxis, für die Vergleichsräume ebenso wie für Vergleichszeiträume, für die Themen von historischen Vergleichen, für die Methoden wie für die Anstöße aus anderen Wissenschaftsdisziplinen. Dieser Artikel beginnt mit Definitionen des historischen Vergleichs, skizziert dann die Debatten über den historischen Vergleich und behandelt danach den Wandel des historischen Vergleichs in den vergangenen Jahrzehnten.

1. Was ist der historische Vergleich?

Unter dem historischen Vergleich verstand man in der Anfangszeit die systematische Gegenüberstellung von zwei oder mehreren historischen Einheiten (von Orten, Regionen, Nationen oder Zivilisationen, auch historische Persönlichkeiten), um Gemeinsamkeiten und Unterschiede, Annäherungen und Auseinanderentwicklungen zu erforschen. Dabei ging es von Anfang an nicht nur darum, zu beschreiben, sondern auch zu erklären und Typologien zu entwickeln. Die grundsätzliche Trennung von John Stuart Mill zwischen der Methode der Differenz und der Methode der Übereinstimmung, d.h. der Analyse von Unterschieden oder von Parallelen und Gemeinsamkeiten, wurde nicht übernommen, sondern beide Zugänge in den historischen Vergleich einbezogen.[2]

Allerdings wurde der historische Vergleich in der Praxis lange Zeit besonders oft über Unterschiede realisiert. Große Debatten von Historiker:innen etwa über den American exceptionalism, über die exception française, über die Sonderentwicklung Großbritanniens, über die Besonderheiten der Wirtschaft Japans oder über den deutschen Sonderweg drehten sich ganz um Differenzen. Manchmal ist daraus sogar der Schluss gezogen worden, dass der historische Vergleich seinem Wesen nach auf Unterschiede ausgerichtet sei. In letzter Zeit besitzen Unterschiede nicht mehr dieses Gewicht. Dazu trugen das verstärkte Interesse an Globalgeschichte, aber auch der veränderte bilaterale innereuropäische Vergleich im Zuge der Europäisierung bei. Die beiden großen Bücher zur Globalgeschichte des langen 19. Jahrhunderts von Jürgen Osterhammel und Christopher A. Bayly sind beeindruckende Beispiele für die vergleichende Suche nach Unterschieden, aber auch nach Gemeinsamkeiten. Die neuesten Bände der deutsch-französischen Geschichte sind weit weniger von der Auseinandersetzung über nationale Unterschiede geprägt als die Forschung vor dreißig Jahren. Auch in den zahlreichen Synthesen zur europäischen Geschichte werden europäische Gemeinsamkeiten genauso wie innereuropäische Unterschiede zwischen Nationen und Regionen verfolgt.[3]

Der historische Vergleich ist nicht uniform und schließt eine große Vielfalt von Zugängen ein. Dabei können mit dem historischen Vergleich Fälle aus derselben Epoche, aber auch aus unterschiedlichen historischen Epochen untersucht werden. Mit ihm können internationale Räume, aber auch innerhalb eines Landes Regionen, Orte, auch Familien oder Individuen miteinander verglichen werden. Der historische Vergleich kann auf Fälle aus derselben Kultur beschränkt werden, wie dies der Altmeister des historischen Vergleichs Marc Bloch forderte, aber auch Fälle aus ganz unterschiedlichen Zivilisationen gegenüberstellen, wie dies etwa in der Debatte über den Aufstieg Europas und das Zurückbleiben Chinas im 18. und 19. Jahrhundert geschieht.[4] Die Vergleichsfälle können in gleicher Intensität untersucht werden, oder es kann im asymmetrischen Vergleich ein Fall in das Zentrum gestellt und nur kurze vergleichende Blicke auf andere Fälle geworfen werden. Mit dem historischen Vergleich lassen sich nur zwei Fälle oder eine größere Zahl von Fällen behandeln, die allerdings in der Regel doch dadurch begrenzt ist, dass sich Historiker:innen darum bemühen, jeden Vergleichsfall in seinen historischen Kontext einzuordnen. Wenn man mit einem vergleichenden historischen Projekt beginnt, ist es wichtig, sich die Vielfalt der Optionen zu vergegenwärtigen.

1024px Alexander Von Humboldt 1850 Geographical Distribution Of Plants
Bildinfo
Alexander von Humboldt: Die geographische Verbreitung der Pflanzen. Grundzüge der Botanischen Geographie, Die Verteilung der Pflanzen in senkrechter Richtung, in: The Physical Atlas, A Series of Maps & Illustrations of the Geographical Distribution of Natural Phenomena. Johnston, Alexander Keith, 1850, Quelle: Wikimedia Commons https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Alexander_von_Humboldt_-_1850_-_Geographical_Distribution_of_Plants.jpg [02.04.2024], gemeinfrei

2. Überschrift für scroll-Test bei Inhalt

Es ist versucht worden, Unterschiede zwischen Vergleichen zu typologisieren. Die Intentionen bei historischen Vergleichen kann man in drei Typen fassen: den analytischen Vergleich, mit dessen Hilfe Erklärungen für ein historisches Phänomen durch die vergleichende Analyse unterschiedlicher Fälle entwickelt werden; den kontrastiven, aufklärenden Vergleich, der sich etwa mit der Entwicklung der Demokratie oder den Menschenrechten befassen kann und ihrer historischen Durchsetzung in einigen Ländern ihr historisches Scheitern in anderen Ländern gegenüberstellt und zu erklären sucht; den verstehenden und gleichzeitig distanzierenden Vergleich, durch den andere Länder im historischen Vergleich mit dem eigenen Land besser verstanden werden und gleichzeitig damit auch das historische Selbstverständnis des eigenen Landes aus anderer Perspektive gesehen und revidiert werden kann.[5]




und so weiter im Text ...



Fußnoten

[1] Überblicke über den historischen Vergleich: Heinz-Gerhard Haupt/Jürgen Kocka (Hrsg.), Geschichte und Vergleich. Ansätze und Ergebnisse international vergleichender Geschichtsschreibung, Frankfurt a.M./New York 1996; Marcel Detienne, Comparer l’incomparable, Paris 2000, online unter https://archive.org/details/comparerlincompa0000deti [02.04.2024]; Heinz-Gerhard Haupt, Comparative History, in: International Encyclopedia of the Social and Behavioral Sciences, Amsterdam 2001, Bd. 4, S. 2397-2403; Jürgen Kocka, Comparison and Beyond, in: History and Theory 42 (2003), S. 39-44; Heinz-Gerhard Haupt/Jürgen Kocka (Hrsg.), Comparative and Transnational History. Central European Approaches and new Perspectives, New York/Oxford 2009, online unter https://archive.org/details/comparativetrans0000unse_y9v4 [02.04.2024]; Jürgen Kocka, Comparative History: Methodology and Ethos, in: Benjamin Z. Kedar (Hrsg.), Explorations in Comparative History, Jerusalem 2009, S. 29-36; James Mahoney/Dietrich Rueschemeyer (Hrsg.), Comparative Historical Analysis in the Social Sciences, Cambridge 2003; Hannes Siegrist, Comparative History of Cultures and Societies. From Cross-Societal Analysis to the Study of Intercultural Interdependencies, in: Comparative Education 42 (2006), S. 377-404; Thomas Welskopp, Comparative History, in: European History Online (EGO), 12.03.2010, http://ieg-ego.eu/en/threads/theories-and-methods/comparative-history/thomas-welskopp-comparative-history [02.04.2024]; James Mahoney/Kathleen Thelen (Hrsg.), Advances in Comparative-Historical Analysis, Cambridge 2015; Hartmut Kaelble, Historisch Vergleichen. Eine Einführung, Frankfurt a.M. 2021 (überarbeitete Neuauflage von: Der historische Vergleich. Eine Einführung zum 19. und 20. Jahrhundert, Frankfurt 1999); Hartmut Kaelble, Der historische Vergleich, in: Stefan Haas (Hrsg.), Handbuch Methoden der Geschichtswissenschaft, Wiesbaden 2023, http://doi.org/10.1007/978-3-658-27798-7_13-1 [02.04.2024].

[2] John Stuart Mill, A System of Logic, Ratiocinative and Inductive. Being a Connected View of the Principles of Evidence, and the Methods of Scientific Investigation, London 1843.

[3] Vgl. Jürgen Osterhammel, Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts, München 2009; Christopher A. Bayly, Die Geburt der modernen Welt. Eine Globalgeschichte 1780-1914, Frankfurt a.M./New York 2006. Der veränderte Zugang zum deutsch-französischen Vergleich wird besonders deutlich in: Hélène Miard-Delacroix, Deutsch-französische Geschichte. 1963 bis in die Gegenwart, Darmstadt 2011.

[4] Marc Bloch, Pour une histoire comparée des sociétés européennes (1928), in: ders., Mélanges historiques, hg. von Charles-Edmond Perrin, Paris 1963, S. 16-40; Osterhammel, Die Verwandlung der Welt, Kap. 12.

[5] Vgl. dazu Haupt, Comparative History; Kaelble, Historisch Vergleichen, S. 49ff.; wichtig zum historischen Erklären: Jürgen Osterhammel, Explanation: The Limits of Narrativism in Global History, in: Stefanie Gänger/Jürgen Osterhammel (Hrsg.) Rethinking Global History, Cambridge 2024 (i.E.).

Fusßnoten hier weiter...

Empfohlene Literatur zum Thema

Agnes Arndt/Joachim C. Häberlen/Christiane Reinecke (Hrsg.), Vergleichen, verflechten, verwirren? Europäische Geschichtsschreibung zwischen Theorie und Praxis, Göttingen 2011

Marc Bloch, Pour une histoire comparée des sociétés européennes (1928), in: ders., Mélanges historiques, hg. von Charles-Edmond Perrin, Paris 1963, S. 16-40

... usw.

Nutzungsbedingungen für diesen Artikel

Copyright © 2024 - Lizenz:

Clio-online – Historisches Fachinformationssystem e.V. und Autor:in, alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist zum Download und zur Vervielfältigung für nicht-kommerzielle Zwecke freigegeben. Es darf jedoch nur erneut veröffentlicht werden, sofern die Einwilligung der o.g. Rechteinhaber vorliegt. Dies betrifft auch die Übersetzungsrechte. Bitte kontaktieren Sie: redaktion@docupedia.de.

Open Access Logo With Dark Text For Contrast, On Transparent Background

zurück